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Coming-out nach Liste

Ich erinnere mich nur zu gut, wie ich ganz am Anfang meines eigenen Coming-outs ewig vor meinem Laptop saß und Coming-out-Storys nur so in mich aufgesogen habe. Das Forum auf Lesarion und queere YouTube Videos zu dem Thema waren gefühlt meine engsten Freunde in der Zeit. Deshalb dachte ich, ich erzähle an dieser Stelle meine Geschichte. Sie ist nicht spektakulär und auch nicht zum Schreien komisch. Aber sie ist positiv.

Realisiert, dass ich lesbisch bin, habe ich vor etwa 2 Jahren. Dabei geholfen hat mir meine beste Freundin, mit der ich immer öfter über solche Themen gesprochen habe. Dementsprechend brauchte ich mich zumindest vor ihr nicht mehr in dem Sinne zu outen, da sie es quasi zeitgleich mit mir selber wusste. Das war sehr hilfreich und wichtig für mich: bei all dem neuen und aufregenden in meinem Leben hatte ich jemanden, dem ich von Anfang an alles erzählen konnte – meine Freude, aber auch meine Sorgen, wie das Coming-out bei verschiedenen Personen laufen würde. So war ich nie alleine.
Am wichtigsten für mich war es, meiner Mama von der ganzen Sache zu erzählen. Das war zu einem Zeitpunkt als ich selber noch nicht einmal wusste, ob ich nun wirklich lesbisch bin oder was überhaupt gerade abging. Ich habe mir eine halbe Ewigkeit überlegt, wie ich es am besten anspreche. Sätze formuliert und wieder verworfen, bis schließlich in meinem Kopf das Skript für das Gespräch stand. Ich weiß gar nicht so genau warum, aber ich hatte Angst. Vielleicht, weil ich überhaupt keine Erfahrung mit sowas hatte. Der Moment kam also, wir hatten grade eines unserer gemütlichen abendlichen Mutter-Tochter-Gespräche und ich fragte irgendwann: „Mama, was würdest du sagen, wenn ich lesbisch wäre“ und dann habe ich wenige Augenblicke später angefangen zu weinen.

Ansonsten lief es aber gut. Meine Ma meinte, dass es sie schon wundern würde, aber sie kein Problem damit hätte. Sie hat gefragt, wie ich darauf komme und gesagt, dass ich einfach meine Erfahrungen machen soll und dann sehen werde, ob es vielleicht nur eine Phase ist.
Spoiler: Es war keine Phase und auch wenn ich nicht weiß, was die Zukunft bringt, bin ich ziemlich queer nach wie vor.

Was das Outing vor meiner Mutter betrifft, würde ich es heute sicherlich anders machen. Weniger konjunktive und offener sagen, was Sache ist. Aber im Unterschied zu damals weiß ich es heute eben auch recht genau.

Wir haben dann erst einige Monate später nochmal darüber gesprochen, als ich erzählte, dass ich mich vor meiner Schwester geoutet habe. Ich glaube, es war verwirrend für sie, dass ich bis dato außer diesem Abend mit den vielen Konjunktiven nichts mehr gesagt hatte, aber inzwischen haben wir auch das ausreichend geklärt.

In den Wochen nach diesem ersten Outing wurde ich mir immer sicherer. Zwar war ich immer noch voller Fragen und Ängste, aber es war klar, dass ich mich auch vor meinen engsten Freund*innen outen wollte. Drei meiner engsten Freundinnen waren die nächsten. Ich traf mich mit ihnen und machte reinen Tisch. Manchmal gab es Fragen, manchmal Freude, über die ich mich im Nachhinein ein wenig amüsiere. Bei einer Freundin hatte ich besonders Angst, da ich lange Zeit einen Crush auf sie hatte, also nahm ich kurzerhand meine beste Freundin mit, um seelischen Beistand zu haben. Letztendlich war es tausendmal weniger dramatisch als ich es mir ausgemalt hatte. Nach meiner innersten Clique folgten mein Vater und meine Geschwister. Besonders süß dabei war mein kleiner Bruder, der mich bisher immer damit geärgert hatte mich mit irgendwelchen Jungs aufzuziehen. In Nullkommanix passte er seine geschwisterlichen Scherze an meine, ihm nun bekannte Sexualität an. Schneller noch als meine Eltern, die trotz meines Outings noch eine Weile von meinem zukünftigen Freund sprachen, bis sie ein „oder Freundin“ dranhingen.

Danach habe ich erst mal ein paar Monate alles so gelassen, wie es war. Ich war immer noch nicht so selbstsicher mit mir und meiner Sexualität und wollte nicht, dass es alle wissen. Ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden und war der Meinung, dass es die Leute z. B. aus meiner Klasse auch einfach nichts angeht. Trotzdem hatte ich eben eine Liste, vor wem ich mich noch outen wollte. Vor meinen zwei engsten männlichen Freunden outete ich mich deshalb dann doch früher als gedacht, einmal bei Eis und einmal im Cafe. Beide erzählten mir daraufhin von ihren verschiedenen Berührungspunkten mit der Community und dass sie sehr supportive seien – sind sie – ein wenig überfordert war ich allerdings schon.

Seit dem ist es einfacher geworden. Etwa nach dem ich die ersten 10-12 Outings hinter mir hatte. Die Liste existiert noch und ist bis heute nicht ganz abgearbeitet, aber das ist mir auch nicht mehr so wichtig. Schon vor drei Leuten habe ich mich einfach spontan auf einer Party geoutet – das war angenehm, weil ich mir vorher nicht so viele Gedanken machen konnte.
Und auch sonst bin ich inzwischen offener. Ich binde meine Sexualität niemandem auf die Nase und etwas von dem Wunsch alles genau zu kontrollieren ist geblieben, aber solange mich niemand anders fremd outet, habe ich kein Problem damit, wenn Leute es nach und nach am Rande mitbekommen.

Ich habe sehr großes Glück mit meinem Umfeld. (Auch wenn das eigentlich kein Glück, sondern verdammt selbstverständlich sein sollte). Ich habe bis jetzt keine einzige schlechte Erfahrung gemacht, was meine Outings betrifft.
Outen hört nie auf. Neue Menschen, neue Freundschaften, weitere Outings. Abgesehen von den komplizierten Ausnahmen kommt man aber in Übung.
Auch der Gedanke „Was wenn sich doch nochmal was ändert“ macht mir längst nicht mehr die große Angst wie zu Beginn. Inzwischen denke ich: Selbst wenn. Ich bin queer. Egal ob lesbisch oder später doch ein bisschen bi oder so. Jetzt gerade bin ich lesbisch, das ist alles was ich im Moment weiß und wissen muss.
Und es kann so befreiend sein, wenn man spürt, dass man den Punkt erreicht hat, an dem man in seiner Clique einfach offen reden kann, wie es alle anderen auch tun.

Zum Schluss vielleicht noch eines. Ich habe zwei Freundinnen. Beide bi. Die eine komplett geoutet und offen, die andere bei fast niemandem geoutet und hat das auch nicht vor. Ich versteh beides sehr gut. Ob und bei wem man sich outet, ist Typsache. Und auch wenn vielleicht der ein oder andere irgendwann zu dir kommt und sagt „jetzt oute dich doch mal“, nein, es ist eine Sache, die man ganz alleine für sich entscheiden darf. Niemand anderen geht das etwas an. (Ok, es sei denn man ist in einer Beziehung und hat das nicht am Anfang geklärt wie man es mit dem Thema hält)

Falls jemand bis hier gelesen haben sollte, hi 🙂
Ich freue mich, meine Geschichte erzählt zu haben.

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